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Interview mit Stefan Boes
Herausgeber von KulturLand

artechock
Münchner Kunstmagazin online

Interview mit Christine Walter
Redakteurin bei artechock


Christine Walter
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Was sind die Vorteile eines freien Verlags?

Die Vorteile sind sowohl persönlicher, als auch ideeller Natur: Persönliche Vorteile sind: Unabhängigkeit, Freiheit in der Zeitgestaltung und Flexibilität. Die Vorteile ideeller Natur sind, dass man sich die Themen aussuchen kann, die einen interessieren. Man muss mit kaum jemandem Rücksprache halten, ob nun ein Artikel über diesen oder jenen Künstler oder auch ein sozialpolitisches Thema erscheinen darf oder nicht.

Sie können ehrlicher schreiben?

Ja, fast immer. Das macht auch den großen Sinn dieser Arbeit, man muss sich nicht verdrehen.

Sie haben zum Beispiel sehr kritisch zur Eröffnung des Buchheim-Museums in Bernried geschrieben, das haben andere Zeitungen tunlichst vermieden. Fällt Ihnen darüber hinaus noch ein anderes Beispiel ein, wo Sie etwas wagen konnten, was andere Verlage nicht gekonnt, Redakteure nicht gedurft hätten?

Wir haben vor einiger Zeit über die sogenannte "Madonna von Wolfratshausen" berichtet, die der Bildhauer Anton Ferstl geschaffen hat. Diese sehr freizügig gestaltete Figur hat der katholischen Kirche, aber auch sehr vielen Bewohnern von Wolfratshausen, gar nicht gefallen. Aber die Berichterstattung darüber war keinesfalls kritisch oder ironisch. Da konnten wir erheblich freier auftreten als so mache Tageszeitung. Zum Buchheim-Museum, dies ist das neueste Beispiel für eine sehr freie Berichterstattung. Denn man kann sagen, ganz Bayern hat auf dieses Museum gewartet. Endlich war es da und jeder lobte es in den Himmel, nur ganz wenige haben es gewagt, gegen die Sammlung und auch gegen das Museum zu schreiben. Ich erinnere mich an Herrn von Sonnenburg, der früher die Staatsgemäldesammlungen in Bayern leitete, der zu Buchheim sagte: Meine Güte, die Buchheim-Sammlung ist eine unter vielen. Das heißt: kritische Betrachtung fand zu keiner Zeit statt, außer in ein, zwei überregionalen Zeitungen, die sich auch über die Architektur gewundert hatten. Da hat es in der Tat Freude gemacht, in dieser kleinen unabhängigen Zeitung sehr kritisch zu berichten.

Dafür wird Ihnen Ihre Leserschaft sicher dankbar sein. Jetzt haben wir viel über die Vorteile eines freien selbständigen Verlages gehört, was gibt es für Nachteile?

Mit Sicherheit verdient man weniger als in einer festen Anstellung bei einer großen Zeitschrift oder Zeitung. Es ist auch schwieriger, sich sozial abzusichern, man ist eben nicht automatisch gesetzlich renten- oder krankenversichert, für all diese Dinge muss ich selber sorgen. Ansonsten - wenn man dazu geboren ist, oder dazu neigt, unternehmerisch tätig zu sein, beschränken sich die Nachteile eigentlich auf diese beiden Aspekte. Natürlich verdient man weniger, um es aber auch klar einzugrenzen, das deutsche Steuersystem, das ja im Moment sehr in der Kritik steht, ermöglicht sehr viele Vorteile. Man kann sein Auto absetzen, und ähnliches.

Würden Sie jemand, der sich mit dem Gedanken trägt, sich selbständig zu machen, der aus dem Journalismus kommt, dazu raten, einen eigenen Verlag, eine eigene Zeitschrift ins Leben zu rufen?

Unter ganz bestimmten Voraussetzungen würde ich dazu raten, sich selbständig zu machen, allein schon deshalb, weil einem keiner fortan mehr reinredet. Es gibt kein Mobbing mehr, keine Intrigen. Aber die Voraussetzungen müssen erfüllt sein. Ein gewisses unternehmerisches Talent muss vorhanden sein und auch eine gewisse Unabhängigkeit. Wenn man eine Familie zu ernähren hat, ist das Risiko sicher viel höher als bei mir. Wenn man sich anstrengt, wird man immer genug zu arbeiten haben, man wird genug verdienen können, um leben zu können. Man wird nicht unbedingt ein großzügiges Leben führen, aber man wird ein inhaltsreiches, sehr individuelles ureigenes Leben führen können.

Waren oder sind Sie Mitglied in einer Gewerkschaft?

Ich war während der Zeit, als ich journalistisch tätig war, natürlich in der Gewerkschaft organisiert. Das kann ich Journalisten wirklich empfehlen, allein schon wegen der sehr guten Rechtsberatung und vielem mehr. Wenn man aber Verleger und Herausgeber wird, ist man halt kein Journalist mehr, deshalb habe ich die Mitgliedschaft dann niedergelegt. Das hängt damit zusammen, dass gewisse Absicherungen früher durch die Mitgliedschaft geleistet wurden, die für mich als Unternehmer aber keine Rolle mehr spielen. Als normaler Journalist wäre ich natürlich wieder Mitglied der dju.

Herr Boes, kennen Sie noch andere freie Kultur-Verlage im bayerischen Raum und kooperieren Sie gegebenenfalls?

Das mit der Kooperation ist schwierig. Es gab insgesamt neun Versuche zu KulturLand, früher hieß es Stadt&Land, Konkurrenzblätter aufzubauen. Mit denen habe ich natürlich nicht kooperiert, sondern die habe ich überlebt. Es gibt heute eine sehr schöne Zeitschrift eines Kleinverlegers, der ähnlich vorgeht wie ich, in Bad Tölz, den Isarkiesel. Dieser Zeitschrift, die es seit zwei Jahren gibt, merkt man genauso an, dass es sehr schwierig ist, etwas derartiges aufzubauen, aber sie scheint durchzuhalten, was mich sehr freut. Daneben gibt es im oberbayerischen Raum immer noch eine Großzahl sehr kleiner Buchverlage, die auf editorische Art und Weise wichtige Publikationen herausgeben. Da zeigt sich, wie sich der Kreis schließt.

Die Schwerpunkte Ihrer Zeitung liegen bei Theater-, Musik- und Ausstellungsberichterstattung. Gibt es noch weitere Themen?

Auch Kulturpolitik und Gesellschaftspolitik sind wichtige Themen. Es gibt gerade ein wunderbares Beispiel, wie sich so etwas äußern kann: Wir berichten beispielsweise sowohl über Ludwig Erhard, als auch über die Folgen der Globalisierung für eine oberbayerische mittelgroße Stadt, nämlich Schongau, die fast kein Kulturprogramm aufgrund ausbleibender Steuereinnahmen mehr finanzieren kann. Die politischen Themen haben mich von jeher interessiert. Ich bin selber politisch aktiv als Sprecher eines Ortsverbandes und würde mich gerne um Kulturpolitik auf Bezirksebene kümmern.

Haben Sie neue Pläne für die Ihre Zeitschrift?

Eine Idee ist, dass sich über die Zeitschrift hinaus kleine Fachpublikationen entwickeln lassen könnten. Die wird es bald geben, darum führen wir immer auch den Begriff Edition im Namen.

Wir wünschen Ihnen viel Glück für die nächsten Ausgaben von KulturLand und bedanken uns für das Gespräch.

 
 
Stefan Boes April 2002

E-Mail:
KulturLand@web.de
Homepage:
www.Edition-Kulturland.de

 
 
 
 
 
 
 
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