dju home dju
dju
aktuelles
aktuelles
at work
at work
service
service
home
impressum
kontakt
verdi

verdi home

  geschichte honorare
dju bayern dju news presseausweis
mitgliedschaft medienwelt ressorts links
betriebsrat
Medien in Bayern
medien bayern
 

 

Medien in Bayern


 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 


Interview mit Walter Oberst

Walter Oberst arbeitet als Medienredakteur bei der ARD in München. Das langjährige engagierte ver.di Mitglied ist ein kritischer Beobachter der Medienszene in Bayern. Über seine Erfahrungen mitten im Brennpunkt der Entscheidungen von öffentlich-rechtlichem und privat-kommerziellem Rundfunk befragte ihn Jörg Werner Schmidt

Wie sieht der Sonderweg Bayerns in der ARD aus?

In der bayerischen Staatsregierung, die seit 40 Jahren identisch ist mit der CSU, gab es immer einen Sonderweg. Der sah früher so aus, dass man Druck auf den Bayerischen Rundfunk ausübte, sich aus bestimmten Sendungen auszuschalten. Das ist zwei, drei mal vorgekommen, aber schon sehr lange her. Dann gab es den Vorstoß des damaligen Statssekretärs Stoiber, der Überlegungen anstellte, dass der Bayerische Rundfunk aus dem ARD - Verbund austreten sollte. Weil es angeblich nicht mehr hinnehmbar wäre, in diesen
linken Medienverbund eingeklinkt zu sein. Das ist auch gescheitert. Der bayerischen Staatsregierung und der CSU wurde ein deutlicher Schlag versetzt, als es 1972 zu einem Rundfunk-Volksbegehren kam, wo der öffentlich - rechtliche Rundfunk in Bayern Verfassungsrang eingeräumt bekam, gerade als Überlegungen in Gang kamen, in der Bundesrepublik Privatfunk einzuführen. Das war ein Riegel gegen die Absichten der bayerischen Staatsregierung. Was sie nicht davon abhält, weiter gegen die ARD vorzugehen, sei es mit Nadelstichen, sei es mit Gesetzentwürfen, sei es mit lauten Überlegungen. Das spiegelte sich darin wider, wenn es um die Erhöhung der Rundfunkgebühren ging, dass man sich verweigerte. Das ging dahin, dass der Ministerpräsident Stoiber mit dem Ministerpräsidenten Biedenkopf im Jahr 1995 ein Papier der Öffentlichkeit unterbreiteten, dass die ARD aufzulösen sei und nur noch das ZDF die öffentlich-rechtlichen Aufgaben wahrzunehmen habe. Auch da gab es Riesenproteste in ganz Deutschland, so dass die Bayerische Staatsregierung wieder zurückstecken musste. Der nächste Nadelstich folgte bald. Da hat sich Ministerpräsident Stoiber durchgesetzt, mit dem Ergebnis, dass der ARD - interne Finanzausgleich für die kleineren Sender bis zum Jahr 2004 auf Null runtergefahren werden muss. Was die Folge hat, dass Radio Bremen praktisch vor der Pleite steht, nicht mehr weiß, wie es sich finanzieren soll und überlegt, ob es betriebsbedingte Kündigungen ausspricht.

Wie verträgt sich diese Kritik an der Subvention von Radio Bremen mit den Subventionen, die die Bayerische Staatsregierung für den Kirch - Konzern bereitgestellt hat?

Da sind die sehr spitzfindig, denn die Bayerische Staatsregierung hat dem Kirch - Konzern keine Subventionen gegeben, nur die öffentlich - rechtliche Bayerische Landesbank, wo zufällig die Mehrheit des bayerischen Kabinetts im Verwaltungsrat sitzt. Aber da wird fein säuberlich getrennt: Das war keine Aktivität der Bayerischen Staatsregierung, sondern das waren von der Bayerischen Landesbank genehmigte Kredite, die keine Deckung hatten. Aber es wird immer wieder darauf hingewiesen, dass man sehr viel neue Arbeitsplätze schafft, wenn man den Medienstandort Bayern oder München fördert und die privaten Medienkonzerne nach Bayern lockt. Es ist aus Sicht der Bayerischen
Staatsregierung kein Widerspruch, die Privat-Kommerziellen zu fördern und die Öffentlich-Rechtlichen auf das Nötigste runter zu fahren.

Gilt das auch für den Bayerischen Rundfunk, der ja eine besondere Aufgabe für die Bayerische Staatsregierung zu erfüllen hat?

Der Bayerische Rundfunk wird in der Regelaus der Kritik gegen die Öffentlich-Rechtlichen herausgenommen. Auch das ist erklärlich: Es wird bei jedem höherem Posten darauf geachtet, dass der Bewerber der Bayerischen Staatsregierung nahe steht oder CSU-Mitglied ist. Das Bayerische Fernsehen ist ja auch ein Sender, der die Bayerische Staatsregierung und ihre Themen nicht zu kurz kommen lässt, und kritische Töne werden sehr verstohlen und versteckt angebracht , wenn es von der Sache viel mehr zu kritisieren gäbe.
Der Hörfunk ist aus meiner Sicht da noch ausgenommen. Da sind wirklich von oben bis unten Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen bei ihrer Arbeit, die den Programmgrundsätzen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks verpflichtet sind: ausgewogen, vielseitig, objektiv und informativ bei Ihren Sendungen. Das kann ich als eifriger Hörer des Hörfunkprogramms und auch in Gesprächen mit Gewerkschaftskollegen sagen: Der Bayerische Hörfunk erfüllt weiterhin die Normen der Grundsätze, die dem Öffentlich-Rechtlichen Rundfunk auf den
Weg gegeben worden sind.

Der Bayerische Rundfunk könnte auch gebraucht werden, um diese Attacken gegen die ARD zu fahren. Gibt es Beispiele aus der Vergangenheit?

Der Bayerische Rundfunk entschied, sich bei kritischen Sendungen, bei
Jugendsendungen und bei Satiresendungen auszublenden, wenn Gewagtes und Kritisches zur Sprache kam. Die ARD kann sich da kaum gegen wehren. Es gibt noch andere Beispiele, wie die Biermösl-Blosn, die Jahre lang mit Acht und Bann belegt waren und nur ganz selten, meistens in Dokumentationssendungen, Gegenstand von Berichterstattung sind. Oder Bruno Jonas, der Jahre lang kein Gast beim Bayerischen Fernsehen war. Aber auch das ist jetzt wieder durchbrochen. Die Vertreter des Bayerischen Rundfunks sorgen immer wieder innerhalb des ARD-Verbundes dafür, dass zu problematische Sachen gleich auf Eis gelegt werden. Es ist jetzt abzuwarten, wie die Politik auf die Kirch-Insolvenz reagiert. Man könnte es jetzt so sehen, dass sich der öffentlich-rechtliche Rundfunk bei der Krise bewährt hat. Aber ich befürchte, dass die Bayerischen Staatsregierung
noch mehr Anstrengungen machen will, damit sich die Privat-Kommerziellen
konsolidieren können. Dann würde der öffentlich-rechtliche Rundfunk noch weiter runtergefahren, damit er nicht so eine große wirtschaftliche Konkurrenz für die Privat-Kommerziellen dar stellt.


TEIL 2

Was bedeutet die Kirch-Pleite für den Medienstandort München?

Der Medienstandort München ist weiterhin ein attraktiver Platz. Bei mehr als
120 000 Beschäftigten im Medienbereich in und um München sind die unsicheren Arbeitsplätze des Kirch-Konzerns in München nur ein Teilbereich des Medienstandorts München. Auf der anderen Seite ist die Unsicherheit in der ganzen Branche groß. Und jetzt kommt ja heraus, worauf die Gewerkschaften lange Jahre immer wieder hingewiesen haben: dass im privaten Sektor
die meisten Arbeitsplätze von Haus aus unsicher sind. Es gibt praktisch keine Tarifverträge, alles wird individuell ausgehandelt. Es gibt keinen Schutz, in vielen Betrieben gibt es nicht mal Betriebsräte. Jetzt endich ist es gelungen, bei Premiere einen Betriebsrat zu installieren.

Gibt es Druck seitens der Staatsregierung, hier mehr Arbeitnehmerrechte zu schaffen?

Es wäre eher Aufgabe der Landesmedienzentrale, darauf zu achten. Aber dort ist es schon mal angesprochen worden und da erntet man ungläubiges Staunen, wie man auf die Idee kommt, dass im Medienbereich bestimmte Arbeitsstandards gesetzt und gelebt werden sollen. Von Seiten der Staatsregierung gibt es keinerlei Ansatz, einen Mindeststandard im Medienbereich zu fixieren.

Worauf bezieht sich die Angst vor Murdoch, wenn die Arbeitsbedingungen sowieso schon so schlecht sind?

Gerade weil wir hier von Bayern reden: Die Bayerische Statsregierung und da wieder der Ministerpräsident Stoiber heißen Murdoch herzlich willkommen. Da gibt es überhaupt keine Vorbehalte. Der Ministerpräsident war schon in Amerika, um sich mit Murdoch zu treffen. Das ist ein sehr deutliches Signal, dass man überhaupt nichts gegen Murdoch von Seiten der Bayerischen Statsregierung hat. Aber es gibt genügend gesellschaftlich relevante Kräfte in der Bundesrepublik, die gegen Murdoch sind. Das fußt auf der Erfahrung vor allem in England: Wie er mit Brachialgewalt in Bereiche eindringt, wo er bisher noch nicht Fuß gefasst hat. In England baute er parallel zu den Zeitungen, die er aufgekauft hat, alles zwei, drei Straßen weiter neu auf. Still und leise, Maschinen und Redaktionen. Und als die Mitarbeiter wegen der Arbeitsbedingungen und der politischen Ausrichtung der Zeitung zu rebellieren begannen, hat er sie aushungern lassen, streiken lassen. Es tat ihm nicht weh, weil er schon alles materiell vorbereitet hatte, dass der Zeitungsbetrieb an anderer Stelle weitergehen konnte. Und mit einem Schlag standen mehrere hundert von Mitarbeitern der Presseverlage auf der Straße, weil er in der Zwischenzeit mit ihm wohl gesonnenen Mitarbeitern Parallelbetriebe aufgebaut hatte. Das war damals ein weltweit einmaliges Vorgehen. Im Medienbereich war Murdoch bisher der einzige der so etwas gemacht hat. Und daher rühren auch die Ängste vor dem aggressiven Verleger Murdoch, der die Vernichtung von Arbeitsplätzen von ihm nicht wohl gesonnenen Arbeitnehmern in Kauf nimmt, um seine verlegerischen Ziele zu erreichen.

Hat die Gewerkschaft hierzu Initiativen gestartet?

Ja, Verdi dringt darauf, in die Gäubigerversammlung aufgenommen zu werden und rechtlich dürfte das nicht aussichtslos sein. Es sind Flugblätter vor allen involvierten Medienbetrieben verteilt worden. Connexx.av von ver.di gibt Rechtsberatung und hilft bei der Gründung von Betriebsräten, schult die Betriebsräte in allem, was sie bei einer Insolvenz und bei der Aufstellung von Sozialplänen wissen müssen. Und es gab in der Gewerkschaft auch Streit darüber, ob sich die Gewerkschaft so weit herauslehnen soll, gegen Murdoch und Berlusconi Stellung zu beziehen. Wo es doch um Rettung von Arbeitsplätzen geht. Das ist ist immer das A und O für Gewerkschaften. Die Fachgruppe Rundfunk, Film hat einmütig gefordert, dass Berlusconi und Murdoch nicht noch mehr Einfluss in der deutschen Medienlandschaft bekommen sollen.

Gibt es Initiativen, die die Gewerkschaft noch ergreifen sollte?


Ich bekomme fast jeden dritten Tag Presseerklärungen von ver.di zu Kirch. Diese Presseerklärungen kommen nicht rüber. Die werden in keiner Zeitung abgedruckt. Man bekommt gar nicht mit, dass die Gewerkschaft hier nicht nur gewerkschaftlich, sondern auch ganz klar medienpolitisch Stellung bezieht. Aber das ist eine Wechselbeziehung: Wenn nicht genügend Menschen organisiert sind, kann die Gewerkschaft auch nicht viel bewegen. Das muss aus den Betrieben kommen. Und deshalb ist es eine erfreuliche Entwicklung, dass die Mitgliederzahl in den Bereichen explosionsartig wächst. Mit Pressekonferenzen, mit Flugblattaktionen und mit Stellungnamen an die große Politik kämpfen die Gewerkschaften darum, sich mehr Einfluss als bisher zu verschaffen und vor allem den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zu helfen.

Zum Schluss eine ganz persönliche Einschätzung: Wohin wird es gehen in Bayern?

Ich denke, dass in den nächsten drei vier Jahren keine Änderungen eintreten werden. Die Medienunternehmen im privatkommerziellen Bereich stehen eigentlich gut da. Sie werden von der Bayerischen Landesmedienzentrale auch sehr gefördert. Auf der anderen Seite steht auch der Bayerische Rundfunk finanziell und programmlich gut da. Auch das ZDF mit seinem Studio hier. Ich glaube nicht, dass bis zur nächsten Gebührenperiode gewaltige Änderungen eintreten werden. Auch nicht, wenn es einen politischen Wechsel auf Bundesebene geben sollte. Aber ich habe die Befürchtung, dass jetzt aus der Kirch-Pleite von der bayerischen Politik Schlussfolgerungen gezogen werden, mit dem Ergebnis, dass man mittel - und langfristig den öffentlich-rechtlichen Rundfunk weiter runter fährt. Und die Bundesländer haben ja die gesetzlichen Möglichkeiten. Man muss aufpassen und Gegenwehr organisieren, dass das öffentliche Gut Öffentlich-Rechtlicher Rundfunk nicht noch mehr beschädigt wird.

 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
      Zum Seitenanfang   Weiter...