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Geschichte der DJU


Interview mit
Ingeborg Weber,
der ehemaligen Vorsitzenden der DJU



Interview mit
Dieter Lattmann,
Mitbegründer des
Deutschen
Schriftstellerverbands


Links und Literatur
zum Thema



 
 
 
 


Wie gestaltete und entwickelte sich das Verhältnis zwischen dem Schriftstellerverband und den Gewerkschaften?

Wir hatten ganz verschiedene Bestrebungen. Auf der Gründungsversammlung in Köln im Juni 1969 - Heinrich Böll forderte hier das Ende der Bescheidenheit - warb Günter Grass für den Anschluss an die IG Druck und Papier. Anderthalb Jahre später kam die "Einigkeit der Einzelgänger", der Stuttgarter Schriftstellerkongress mit Willy Brandt als Redner, und die flammende Aufforderung von Martin Walser zur "IG Kultur!"
Manchen Schriftstellern war plötzlich alles nicht gut genug, auch die alten Gewerkschaften nicht. Sie meinten, am besten wir machen selber was. Die Gewerkschaft Kunst hat auch um uns geworben, die hatte ja verwandte Berufsgruppen. Im Jahr 1973 auf dem zweiten Schriftstellerkongress haben wir uns zunächst für die IG Druck und Papier entschieden. Über den Sprung Mediengewerkschaft ist der Verband deutscher Schriftsteller VS, parallel zu den Künstlern, Journalisten, den Bildenden Künstlern und anderen Künstlergruppen als eigene Fachgruppe nun in der Gewerkschaft "Verdi" gelandet.

Wäre es nicht klüger gewesen, auf eigenständige Weise zusammen zu bleiben?

Das ist in sofern schwierig, als sich in der Berufspolitik wie in der großen Politik die Dinge so rasch und entscheidend verändern, dass verschiedene Zeiten schon innerhalb von zwei Jahrzehnten verschiedene Antworten brauchen. Wenn ich heute die Situation sähe und wäre noch mal vierzig und stünde noch mal vor der gleichen Aufgabe, dann ich würde ich, entsprechend der heutigen Marktsituation eine "Pressure Group" der Künstler und Autoren, getragen von den blitzendsten Köpfen und Medienmagneten empfehlen - nicht unbedingt diesen Größtverband.
Bei uns und in der praktischen Gesetzgebung ging es um die drei Dinge:
die zweifache Novellierung des Urheberrechtsgesetzes, die Änderung des Tarifrechts, Paragraph 12a, das Tarifrecht für die arbeitnehmerähnlichen freien Mitarbeitern von Massenmedien und kulturellen Einrichtungen und dann, als Hauptaufgabe die Künstlersozialversicherung. Die habe ich nun wirklich sieben Jahre durch den Bundestag getragen.

"Jedes Leben besteht aus drei Biographien"
Ich schulde Ihnen noch eine Antwort auf den Teil der Frage "Wie politisch sehen Sie die jungen Schriftstellerinnen und Autoren?" Da denke ich im Vergleich zu früheren Generationsschüben an die Gruppe 47 oder die Literatur der Arbeitswelt. Es gab ja immer zyklische Prozesse, wo das politische Engagement durchbrach, ganz stark gefördert ab 1968 durch die Außerparlamentarische Opposition. Im Vergleich dazu kommen mir die heutigen jungen Autorinnen und Autoren erstaunlich und in gewisser Weise auch beschämend unpolitisch vor. Ich kann es überhaupt nicht verstehen. Jedes Leben besteht doch mindestens aus drei Biographien:
Einmal aus der ganz subjektiven, wo man sich verwirklichen will, einmal dem Beruf, wo man an ganz bestimmte Bedingungen eines Marktes eingebunden ist, selbst wenn der Markt die Kunst ist, und drittens, das politische Leben, in dem man meist gelebt wird, wenn man sich nicht wehrt. Deshalb ist mir absolut unbegreiflich, dass man sich über diesen Teil der eigenen Biographie nicht sorgt, sich nicht darum kümmert, sich nicht engagiert.
Das scheint mir daran zu liegen, dass im Augenblick die Kritiker, die Verleger und die Autoren, ich glaube nicht bei den Lesern - ich glaube, die schreiben zum Teil an einem Teil der Leser vorbei - dass die Berufswortemacher extrem individualistisch sind und dass Kritik und Verlag so tun, als gäbe es nur noch Leser, die einzig an den Katastrophen des Individuums interessiert sind, aber nicht mehr an den Katastrophen der Gesellschaft. Dies halte ich für eine literarische Schwäche, auch für eine kosmopolitische Schwäche und ich glaube, dass die deutsche Literatur, wenn auch auf hohem handwerklichen Level, so provinziell ist, liegt eben auch daran, dass sie des Politischen im Augenblick unfähig scheint. Der volle homo sapiens, der wissende Mensch, braucht die Politik. Ohne Politik ist er partiell infantil.

In den angelsächsischen Ländern oder auch in Frankreich ist die politische Tradition ja viel mehr verwurzelt. Bei uns war ich zu meiner Zeit der einzige Schriftsteller im Bundestag, acht Jahre lang und ziemlich verloren. Wenn Herbert Wehner überhaupt nicht zuhören wollte, was ich sagte, dann rief er manchmal grimmig in die Fraktion hinein "der Dichter!" und dann grölte die ganze Fraktion.

Jedes politische Engagement von Schriftstellern erfordert das, was ich - ich wiederhole den Ausdruck bewusst - eine soziale Geduld nenne, das heißt eine Leidenschaft für die Schwächeren.

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»der homo sapiens braucht die Politik«
Dieter Lattmann über Gewerkschaft und politisches Engagementt
   
   
   
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