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Wie gingen nach dem Krieg die Alliierten
mit der deutschen Presse um?
Nach 45 gab es ja erst mal überhaupt
keine Zeitungen, kein Papier, keine Maschinen.
Dann vergaben die Alliierten Lizenzen.
Zunächst sollte vermieden werden,
dass die Verlagshäuser wieder in
Privathand gingen, es sollten gemeinnützige
Anstalten werden, deren Überschüsse
in die Journalistenausbildung fließen
sollten. So ähnlich wie beim Rundfunk.
Die Militärs hatten die Oberhoheit
über die Presse, das waren hier in
München die Amerikaner, hochrangige
Journalisten, die die Presse überwachten.
Die wurden aber blitzschnell und zu ihrer
eigenen größten Überraschung
und Wut zurückgepfiffen in die USA,
weil man sich sehr schnell gegen die Sowjetunion
einschoss. Der Kalte Krieg nahm seinen
Anfang. Im Zuge dessen setzte man auch
die alten Besitzer wieder in die Verlagshäuser,
und das Ganze wurde wieder privatwirtschaftlich
organisiert. Alles wie es einmal war.
Darüber hat der Kölner Journalist
Rüdiger Liedtke ein sehr wichtiges
Buch geschrieben.
Zurück
zur Gewerkschaft. Sie sind 1957 nach München
gekommen und haben sich dann gleich gewerkschaftlich
engagiert?
IW: So richtig begann das für mich
erst 1967. Da kam ein wichtiger Mann nach
München, Eckart Spoo. Er war Korrespondent
bei der Frankfurter Rundschau und nahm
die Sache regelrecht in die Hand. Ihm
ging ein enormer Ruf voraus, dass er ein
sehr kluger und darüber hinaus eben
ein sehr linker, engagierter Mann war.
Und dieses Treffen mit Spoo, das war hier
in dieser Wohnung, hier haben wir ihn
empfangen. Damals wohnte eine Freundin
von mir hier. Meine Freunde und ich steckten
damals - 66/67/68 - mitten in der Politik.
66 war die große Koalition gewesen,
die zu einer Riesenenttäuschung der
Linken geführt hatte. Wir waren außer
uns, dass die SPD sich dazu hergab, mit
Kiesinger, der von 33 bis 45 Mitglied
der NSDAP gewesen war, zu koalieren. Das
muss man sich mal vorstellen, aus heutiger
Sicht...
Wieso? In Paris
ist gerade Jean-Marie Le Pen als Präsidentschaftskandidat
aufgestellt worden?
Ja, zum Glück gibt es massive Gegendemonstrationen
in Frankreich.
Welche Aufgaben
hatten Sie zwischen 1975 und 1985, als
Sie Münchener dju-Vorsitzende waren?
Wir arbeiteten, wie bis dahin auch,
weiter auf drei wichtigen Themenfeldern:
Das erste war die Tarifarbeit. Tarifforderungen
fallen ja nicht vom Himmel, sondern werden
an der Basis entwickelt und daraus entsteht
dann etwas.
Die zweite Schiene war die inhaltliche
Frage: Welche Aufgabe hat ein Journalist?
Und welchen Status hat er in der Redaktion?
Wir haben zum Beispiel lange für
Redaktionsstatute gekämpft, die den
Redakteuren bestimmte Mitspracherechte
garantieren sollten, zum Beispiel: wer
wird Chefredakteur?
Das dritte Feld war die Politik. Wir
waren der Meinung, uns auch in der Politik
engagieren zu müssen und zwar für
eine bestimmte Politik, jenseits unserer
Redaktionsarbeit. Wir wollten Stellung
beziehen, aktiv eingreifen, und das taten
wir auch. Die "bleierne Zeit"
war vorbei, das Schweigen, die Restauration
der Nazis, alles war aufgeflogen, aufgekommen.
Die jungen Menschen, die Studenten, waren
informiert, sie grollten ihren Eltern,
die geschwiegen und ihnen keinen reinen
Wein eingeschenkt hatten. Und auch die
verkrusteten Strukturen wollte man nicht
länger hinnehmen. Man durfte zum
Beispiel im Englischen Garten den Rasen
nicht betreten. Tat man es, wurde gepfiffen,
die Polizei kam. Und so weiter. Wir glaubten,
uns in die jeweiligen politischen Diskussionen
einbringen zu müssen, haben dazu
Veranstaltungen gemacht. Die Politik hat
über Jahre unsere dju-Arbeit bestimmt.
Das sind ja nicht "die Journalisten"
schlechthin gewesen, das sind die gewesen,
die in der Gewerkschaft waren.
Das hatte natürlich damit zu tun,
dass das gesamte Umfeld so politisiert
war. Da war 66 die Große Koalition,
wie gesagt, die uns empörte, 67 und
68 die vielen, leider vergeblichen Aktionen
gegen die geplanten Notstandsgesetze.
Am 2. Juni 67 wurde in Berlin Benno Ohnesorg
anlässlich einer Anti-Schah-Demonstration
erschossen. Das Attentat auf Rudi Dutschke
am 11. April 68 - da haben wir vor dem
Buchgewerbehaus gesessen, um die Auslieferung
der Bildzeitung zu verhindern. Denn der
Attentäter war ein ausgewiesener
Bild-Leser, der wörtlich genommen
hatte, was in der Bildzeitung stand: das
sind alles Verbrecher, die das Abendland
zugrunde richten wollen.
Ganz fürchterliche Töne wurden
damals angeschlagen. Franz-Joseph Strauß
sprach von "Ratten und Schmeißfliegen",
wenn er die Schriftsteller meinte, das
wird aber Dieter
Lattmann erzählen. Aber wir waren
auch radikal. Unsere Forderung "Enteignet
Springer!" haben wir durchaus so
gemeint. Die Anti-Vietnam-Demonstrationen,
die Aufregungen um die RAF - alles ging
uns was an. Und als am 4. April 1968 der
schwarze Bürgerrechtler Martin Luther
King ermordet wurde, da haben wir auch
geweint. Und andererseits mitgejubelt
mit unseren amerikanischen Freunden, als
1975 die Amerikaner Vietnam als Geschlagene
verlassen mussten. Bis 1983 dann die Friedensbewegung
kam - gegen die Aufstellung von Cruise
missiles und Pershing II. Da waren wir
dju-Leute natürlich dabei und haben
als Betriebsräte auch viele unserer
nicht-organisierten Kolleginnen und Kollegen
mit zur Menschenkette geschleppt.
Ja, es war schon eine Zeit, die dazu anregte,
sich politisch zu engagieren. Aber im
Grunde waren die Beteiligten eine Minderheit
in der Bevölkerung, eine relevante
Minderheit.
Und doch auch
eine meinungsbildende Minderheit?
Ja, eine meinungsbildende, eine szenebildende
und auch eine sichtbare Minderheit. Man
sah sie, man las sie, und man konnte sicher
sein, dass das viele Bürger zumindest
aufgeschreckt hat. Aber es hat nicht so
weit geführt wie zum Beispiel in
Frankreich, wo es am 11. Mai 68 zum Generalstreik
kam. Ein ganzes Land war zum Einhalten,
zum Nachdenken gezwungen worden. Das hat
es bei uns nicht gegeben.
Was ist in bezug
auf die dju zu sagen, welche Wichtigkeit
hat sie heute?
Eine ganz große hätte sie,
wenn sie sich in der Öffentlichkeit
deutlich bemerkbar machen würde.
Das Tragische ist, dass dieses Unpolitische,
auf sich selbst Bezogene so stark geworden
ist. Früher hat man die Dinge nicht
auf sich beruhen lassen, sondern sich
eingemischt. Uns lag daran, gesellschaftlich
zu denken. Ich glaube, dass dieses Sich
als Teil einer Gemeinschaft Empfinden,
auch Sich verantwortlich Fühlen für
die Gemeinschaft, dass das verkümmert
ist. Vielleicht ist das Resignation, weil
ja wirklich nicht allzu viel dabei herausgekommen
ist.
Wenn man sich vorstellt, dass bis Mitte
der 80er Jahre die Friedensbewegung Hunderttausende
auf die Straße gebracht hat - und
heute ist das ein erbärmlich kleines
Häufchen, was da loszieht - da kann
man schon ins Grübeln kommen. Die
Welt ist ja nicht besser geworden, ganz
im Gegenteil. Es kann auch sein, dass
es charismatische Figuren, dass es weise,
kluge Menschen in der Politik kaum noch
gibt. Keine Visionen, keine Ziele mehr,
die man anstreben könnte. Woran soll
ein junger Mensch sich orientieren? Andererseits:
gerade jetzt beginnt sich ja wieder etwas
zu rühren. ATTAC macht von sich reden,
eine Bewegung, die Möglichkeiten
der Einmischung, der Mitgestaltung eröffnet.
Wer weiß, vielleicht ist die Talsohle
ja bereits durchschritten?
Als Resümee,
was geben Sie einem jungen Menschen mit
auf den Weg. Was hält einen Journalisten
aufrecht auf seinem Weg?
Also, auf jeden Fall, Neugier, Neugier,
Neugier; dann die Menschenliebe. Du musst
die Menschen lieben und du musst sie auch
für entwickelbar halten, darfst sie
nicht verachten. Und dann ist Mut wichtig,
Mut, die Wahrheit zu sagen, auch gegen
Widerstände.
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