dju home
dju
aktuelles
aktuelles
at work
at work
service
service
home
impressum
kontakt
verdi

verdi home

freie honorare
dju bayern dju news berufsbilder presseausweis
mitgliedschaft medienwelt ressorts links
wir Ÿber uns nachwuchs betriebsrat
medien bayern
geschichte
 

 

Interview
mit Ingeborg Weber, ehemalige DJU-Vorsitzende

Interview mit
Dieter Lattmann,
Mitbegründer des
Deutschen
Schriftstellerverbands

Links und Literatur
zum Thema

 
 
 
 
 
 
 
 
 


Wie gingen nach dem Krieg die Alliierten mit der deutschen Presse um?

Nach 45 gab es ja erst mal überhaupt keine Zeitungen, kein Papier, keine Maschinen. Dann vergaben die Alliierten Lizenzen. Zunächst sollte vermieden werden, dass die Verlagshäuser wieder in Privathand gingen, es sollten gemeinnützige Anstalten werden, deren Überschüsse in die Journalistenausbildung fließen sollten. So ähnlich wie beim Rundfunk. Die Militärs hatten die Oberhoheit über die Presse, das waren hier in München die Amerikaner, hochrangige Journalisten, die die Presse überwachten. Die wurden aber blitzschnell und zu ihrer eigenen größten Überraschung und Wut zurückgepfiffen in die USA, weil man sich sehr schnell gegen die Sowjetunion einschoss. Der Kalte Krieg nahm seinen Anfang. Im Zuge dessen setzte man auch die alten Besitzer wieder in die Verlagshäuser, und das Ganze wurde wieder privatwirtschaftlich organisiert. Alles wie es einmal war. Darüber hat der Kölner Journalist Rüdiger Liedtke ein sehr wichtiges Buch geschrieben.

Zurück zur Gewerkschaft. Sie sind 1957 nach München gekommen und haben sich dann gleich gewerkschaftlich engagiert?

IW: So richtig begann das für mich erst 1967. Da kam ein wichtiger Mann nach München, Eckart Spoo. Er war Korrespondent bei der Frankfurter Rundschau und nahm die Sache regelrecht in die Hand. Ihm ging ein enormer Ruf voraus, dass er ein sehr kluger und darüber hinaus eben ein sehr linker, engagierter Mann war. Und dieses Treffen mit Spoo, das war hier in dieser Wohnung, hier haben wir ihn empfangen. Damals wohnte eine Freundin von mir hier. Meine Freunde und ich steckten damals - 66/67/68 - mitten in der Politik. 66 war die große Koalition gewesen, die zu einer Riesenenttäuschung der Linken geführt hatte. Wir waren außer uns, dass die SPD sich dazu hergab, mit Kiesinger, der von 33 bis 45 Mitglied der NSDAP gewesen war, zu koalieren. Das muss man sich mal vorstellen, aus heutiger Sicht...

Wieso? In Paris ist gerade Jean-Marie Le Pen als Präsidentschaftskandidat aufgestellt worden?

Ja, zum Glück gibt es massive Gegendemonstrationen in Frankreich.

Welche Aufgaben hatten Sie zwischen 1975 und 1985, als Sie Münchener dju-Vorsitzende waren?

Wir arbeiteten, wie bis dahin auch, weiter auf drei wichtigen Themenfeldern:
Das erste war die Tarifarbeit. Tarifforderungen fallen ja nicht vom Himmel, sondern werden an der Basis entwickelt und daraus entsteht dann etwas.
Die zweite Schiene war die inhaltliche Frage: Welche Aufgabe hat ein Journalist? Und welchen Status hat er in der Redaktion? Wir haben zum Beispiel lange für Redaktionsstatute gekämpft, die den Redakteuren bestimmte Mitspracherechte garantieren sollten, zum Beispiel: wer wird Chefredakteur?

Das dritte Feld war die Politik. Wir waren der Meinung, uns auch in der Politik engagieren zu müssen und zwar für eine bestimmte Politik, jenseits unserer Redaktionsarbeit. Wir wollten Stellung beziehen, aktiv eingreifen, und das taten wir auch. Die "bleierne Zeit" war vorbei, das Schweigen, die Restauration der Nazis, alles war aufgeflogen, aufgekommen. Die jungen Menschen, die Studenten, waren informiert, sie grollten ihren Eltern, die geschwiegen und ihnen keinen reinen Wein eingeschenkt hatten. Und auch die verkrusteten Strukturen wollte man nicht länger hinnehmen. Man durfte zum Beispiel im Englischen Garten den Rasen nicht betreten. Tat man es, wurde gepfiffen, die Polizei kam. Und so weiter. Wir glaubten, uns in die jeweiligen politischen Diskussionen einbringen zu müssen, haben dazu Veranstaltungen gemacht. Die Politik hat über Jahre unsere dju-Arbeit bestimmt. Das sind ja nicht "die Journalisten" schlechthin gewesen, das sind die gewesen, die in der Gewerkschaft waren.

Das hatte natürlich damit zu tun, dass das gesamte Umfeld so politisiert war. Da war 66 die Große Koalition, wie gesagt, die uns empörte, 67 und 68 die vielen, leider vergeblichen Aktionen gegen die geplanten Notstandsgesetze. Am 2. Juni 67 wurde in Berlin Benno Ohnesorg anlässlich einer Anti-Schah-Demonstration erschossen. Das Attentat auf Rudi Dutschke am 11. April 68 - da haben wir vor dem Buchgewerbehaus gesessen, um die Auslieferung der Bildzeitung zu verhindern. Denn der Attentäter war ein ausgewiesener Bild-Leser, der wörtlich genommen hatte, was in der Bildzeitung stand: das sind alles Verbrecher, die das Abendland zugrunde richten wollen.

Ganz fürchterliche Töne wurden damals angeschlagen. Franz-Joseph Strauß sprach von "Ratten und Schmeißfliegen", wenn er die Schriftsteller meinte, das wird aber Dieter Lattmann erzählen. Aber wir waren auch radikal. Unsere Forderung "Enteignet Springer!" haben wir durchaus so gemeint. Die Anti-Vietnam-Demonstrationen, die Aufregungen um die RAF - alles ging uns was an. Und als am 4. April 1968 der schwarze Bürgerrechtler Martin Luther King ermordet wurde, da haben wir auch geweint. Und andererseits mitgejubelt mit unseren amerikanischen Freunden, als 1975 die Amerikaner Vietnam als Geschlagene verlassen mussten. Bis 1983 dann die Friedensbewegung kam - gegen die Aufstellung von Cruise missiles und Pershing II. Da waren wir dju-Leute natürlich dabei und haben als Betriebsräte auch viele unserer nicht-organisierten Kolleginnen und Kollegen mit zur Menschenkette geschleppt.
Ja, es war schon eine Zeit, die dazu anregte, sich politisch zu engagieren. Aber im Grunde waren die Beteiligten eine Minderheit in der Bevölkerung, eine relevante Minderheit.

Und doch auch eine meinungsbildende Minderheit?

Ja, eine meinungsbildende, eine szenebildende und auch eine sichtbare Minderheit. Man sah sie, man las sie, und man konnte sicher sein, dass das viele Bürger zumindest aufgeschreckt hat. Aber es hat nicht so weit geführt wie zum Beispiel in Frankreich, wo es am 11. Mai 68 zum Generalstreik kam. Ein ganzes Land war zum Einhalten, zum Nachdenken gezwungen worden. Das hat es bei uns nicht gegeben.

Was ist in bezug auf die dju zu sagen, welche Wichtigkeit hat sie heute?

Eine ganz große hätte sie, wenn sie sich in der Öffentlichkeit deutlich bemerkbar machen würde. Das Tragische ist, dass dieses Unpolitische, auf sich selbst Bezogene so stark geworden ist. Früher hat man die Dinge nicht auf sich beruhen lassen, sondern sich eingemischt. Uns lag daran, gesellschaftlich zu denken. Ich glaube, dass dieses Sich als Teil einer Gemeinschaft Empfinden, auch Sich verantwortlich Fühlen für die Gemeinschaft, dass das verkümmert ist. Vielleicht ist das Resignation, weil ja wirklich nicht allzu viel dabei herausgekommen ist.

Wenn man sich vorstellt, dass bis Mitte der 80er Jahre die Friedensbewegung Hunderttausende auf die Straße gebracht hat - und heute ist das ein erbärmlich kleines Häufchen, was da loszieht - da kann man schon ins Grübeln kommen. Die Welt ist ja nicht besser geworden, ganz im Gegenteil. Es kann auch sein, dass es charismatische Figuren, dass es weise, kluge Menschen in der Politik kaum noch gibt. Keine Visionen, keine Ziele mehr, die man anstreben könnte. Woran soll ein junger Mensch sich orientieren? Andererseits: gerade jetzt beginnt sich ja wieder etwas zu rühren. ATTAC macht von sich reden, eine Bewegung, die Möglichkeiten der Einmischung, der Mitgestaltung eröffnet. Wer weiß, vielleicht ist die Talsohle ja bereits durchschritten?

Als Resümee, was geben Sie einem jungen Menschen mit auf den Weg. Was hält einen Journalisten aufrecht auf seinem Weg?

Also, auf jeden Fall, Neugier, Neugier, Neugier; dann die Menschenliebe. Du musst die Menschen lieben und du musst sie auch für entwickelbar halten, darfst sie nicht verachten. Und dann ist Mut wichtig, Mut, die Wahrheit zu sagen, auch gegen Widerstände.

 
 
Ingeborg Weber
 
 
 
 
 
 
 
 
 
      Zum Seitenanfang   Weiter...