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"Wir wollten Stellung beziehen, aktiv
eingreifen, und das taten wir auch"
Martina Marschall
sprach mit Ingeborg Weber, ehemalige DJU-Vorsitzende
in München
Ingeborg
Weber ist Journalistin. Sie wurde 1934
in Stade geboren. Nach dem Abitur volontierte
sie zweieinhalb Jahre an verschiedenen
norddeutschen Tageszeitungen. 1957 Übersiedlung
nach München. Hier zunächst
Arbeit als freie Journalistin, später
bei der Münchner Abendzeitung und
bei der Frauenzeitschrift Yasmin, bis
1994 als Redakteurin bei der freundin/
Burda-Verlag. Im Hause Burda engagierte
sie sich im Betriebsrat, war zeitweise
freigestellte Betriebsratsvorsitzende.
Seit 1968 ist sie Gewerkschaftsmitglied.
Sie war fast zehn Jahre dju-Vorsitzende
in München und sechs Jahre Mitglied
des Bundesvorstandes ihrer Fachgruppe.
Heute macht sie Dokumentarfilme, zuletzt
entstand ein Portrait über Angela
Davis. Im Moment arbeitet sie an einem
Film über Volker Schlöndorff.
Ingeborg Weber lebt im Münchener
Stadtteil Lehel. Der neue Roman von Erasmus
Schöfer "Ein Frühling irrer
Hoffnungen", der die linke Szene
des Jahres 1968 beschreibt, spielt in
ihrer Wohnung.
Frau Weber,
wie war das nach dem Krieg in Deutschland,
wenn man als Journalistin arbeiten wollte?
Ich wollte schon immer Journalistin
werden, aber nicht etwa, weil ich Ahnung
gehabt hätte von Journalismus oder
der Welt überhaupt, sondern weil
ich gern schrieb und beschrieb. In der
Schule hab ich eine Schülerzeitung
gemacht, aber das war eine ganz unpolitische
Zeitung. Wir hatten lauter Nazilehrer,
auch im Gymnasium nach dem Krieg. Wir
haben das als Kinder und Jugendliche aber
nicht gewusst. Ich habe erst Jahre später
anlässlich einer Schulfeier begriffen,
was da eigentlich statt fand. Wir haben
eine eigentümliche Erziehung genossen.
Der Geschichtsunterricht hörte so
ungefähr im Mittelalter auf, an jüngere
Geschichte hat sich unmittelbar nach dem
Krieg keiner rangetraut. Wir schliefen
förmlich, und die Mütter und
Väter schwiegen, konnten nicht reden,
bewerkstelligten das Wirtschaftswunder.
Dieses Schweigen
hat dazu geführt, dass Sie Journalistin
werden wollten?
Vielleicht, aber vor allem war es die
Lust am Schreiben. Ich bin nach dem Abitur
zum "Stadener Tageblatt", das
gibt es heute noch, und habe kleine Lokalspitzen
geschrieben. Damals war es so, dass man
noch kein Studium brauchte, man musste
einen Volontärsplatz finden. Ich
nahm mit dem Hamburger Journalistenverband
Kontakt auf, und in kürzester Zeit
hatte ich Jobs bei kleineren Zeitungen,
beim Delmenhorster Kreisblatt oder bei
der Wilhelmshavener Zeitung. Dort habe
ich zweieinhalb Jahre volontiert, in allen
Ressorts, dann war man Jungredakteurin
und verdiente 350 Mark, das war toll.
Aus heutiger Sicht ist das unbegreiflich,
aber wenn sie wissen, dass das Zimmer
25 Mark kostete, können sie sich
das vorstellen.
Sie sind später
nach München gegangen?
Ja, 1957, zusammen mit meinem Mann, ebenfalls
Journalist. Mit 21 hatte ich geheiratet.
Hier habe ich zunächst frei gearbeitet,
dann einige Zeit bei der Abendzeitung,
später bei der Frauenzeitschrift
Yasmin und dann 22 Jahre lang bei der
freundin.
War das die
Zeit, in der sie angefangen haben, sich
gewerkschaftlich zu engagieren?
Nein, das war noch in Norddeutschland.
Langsam wachten wir Provinzkinder auf
und guckten, was ist eigentlich los? Ich
geriet an Menschen, die mir sehr bei meiner
politischen Orientierung geholfen haben.
Zum Beispiel einer der Chefredakteure,
mit denen ich gleich am Anfang zu tun
hatte, ein Antifaschist, der das KZ überlebt
hatte. Es gab mehrere solche Begegnungen,
die ein Aufwachen bewirkten. Plötzlich
setzte man sich mit dem Krieg auseinander,
mit dieser Weltkatastrophe. Und uns wurde
klar, dass auch die Zersplitterung der
linken Kräfte mit dazu beigetragen
hatte, dass es überhaupt dazu hatte
kommen können.
Als eine Antwort darauf wurde 1949 der
DGB als Einheitsgewerkschaft gegründet.
Unter diesem Dach versammelten sich die
Journalisten, die meinten, man solle den
Gedanken von der "United Front"
auch dadurch zum Ausdruck bringen, dass
man sich mit allen im Hause, also mit
den Setzern und Druckern etc., in einer
gemeinsamen Gewerkschaft befand. Ich hielt
das auch für einen guten Gedanken,
bis heute. So richtig aktiv bin ich aber
erst später geworden.
Es gibt die
dju und den DJV, warum hat man nicht gemeinsame
Sache gemacht?
1949 entstand eine "Berufsgruppe
der Journalisten im DGB", wie gesagt,
sie war direkt beim DGB-Bundesvorstand
angesiedelt und nannte sich zwischendurch
auch "Berufsgruppe für Journalisten
und Schriftsteller". 1951 kamen die
Journalisten unter das Dach der Industriegewerkschaft
Druck und Papier. 1960 schließlich
erhielt ihre Gruppierung den Namen Deutsche
Journalisten Union (dju). Parallel dazu
gründete sich 1949 der Deutsche Journalisten
Verband (DJV). Hier organisierten sich
eher die Journalisten, denen nicht einleuchtete,
sich als Journalist in eine Industriegewerkschaft
begeben zu sollen. Ist auf den ersten
Blick ja auch nicht so einfach. Sehr grob
gesprochen versammelten sich auf der Seite
der Gewerkschaft eher die linken, im DJV
eher die "ständischen",
konservativen Journalisten.
Aber es gab viele Jahre gute Zusammenarbeit,
auch Pläne eines Zusammenschlusses,
allerdings auch manchen Ärger. Am
Anfang bestand das große Problem,
dass die Verlegerverbände nur dem
DJV Tariffähigkeit zugestanden, nicht
aber der dju. Das heißt: die Verleger
wollten mit uns nicht über Journalistengehälter
und -arbeitsbedingungen verhandeln. Im
Jahre 1966 wurde mit der "Aktion
Federblitz" des IG Druck-Landesbezirks
Nordrhein-Westfalen die Anerkennung der
dju als Tarifpartei durchgesetzt. Damals
ist vor allem die Technik für uns
Journalisten auf die Straße gegangen.
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